Schwarzgelbe Geschichte kann man wieder hautnah erleben, im BORUSSEUM 2.0. Nach einem Umbau ist das BORUSSEUM nicht wiederzuerkennen.
Schwarzgelbe Geschichte kann man wieder hautnah erleben, im BORUSSEUM 2.0. Nach einem Umbau ist das BORUSSEUM nicht wiederzuerkennen. Überzeugt Euch selbst!
Es war ein wirklich weiter Weg. Eine lange Reise. Zweieinhalb Jahre hat er gedauert, der Umbau des BORUSSEUM. Und manchmal hatte man unterwegs vielleicht sogar den Eindruck: Es geht im Kreis! So, als fahre man um den Borsigplatz, immer und immer wieder. Aber dann wurde es doch fertig, das BVB-Museum zweiPunktnull. Am 2. April, vor dem Heimspiel gegen Leipzig, war endlich Eröffnung. Ein kleiner Umtrunk, Fingerfood, feierliche Reden, Blitzlichtgewitter, strahlende Augen und zufriedenes Lächeln, versteckt unter FFP2-Masken. Eine Wiedereröffnung, die eigentlich doch eher eine Neueröffnung war, denn das BORUSSEUM ist nicht wiederzuerkennen – was ausdrücklich nicht gegen das „alte“, aber unbedingt für das „neue“ Museum unseres Traditionsvereins spricht. Wir möchten an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Ihr sollt es Euch ja selbst anschauen. Aber so viel Spoiler muss sein: Es ist schon sehr … also wirklich seeehr … borussig geworden!
Reinhold Lunow hatte diesem 2. April entgegengefiebert. Übrigens: Nicht irgendein Datum. Am 2. April 1974 wurde das Westfalenstadion eröffnet – mit dem Spiel zwischen den Frauen von TBV Mengede und VfB Waltrop und dem Freundschaftsderby zwischen dem damaligen Zweitligisten Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04. Auf den Tag genau 48 Jahre später durfte Reinhold Lunow das neue BORUSSEUM in seiner Funktion als Vizepräsident und musealer Projektleiter wieder für die Öffentlichkeit aufschließen. Und nachdem er in den Monaten zuvor mit seinem Team manche Hürde hatte überspringen müssen, wirkte er an diesen Tag wunschlos glücklich. Beinahe jedenfalls, denn einen Wunsch hat er dann doch: „Ich hoffe sehr, dass die Menschen zahlreich und gerne herkommen werden. Dass sie sich willkommen und wohl fühlen. Ich wünsche mir, dass dieses neue BORUSSEUM für unsere große BVB-Familie zu einem echten Zuhause wird. Und nicht nur zu einem Ort des Entdeckens und Erinnerns, sondern auch zu einem Ort des aktiven Vereinslebens, der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung.“
Willkommen in der Gründungsgeschichte
Reinhold Lunows Wunsch wird in Erfüllung gehen, denn wer auch nur einen Milliliter schwarzgelbes Blut in den Adern und ein Milligramm Adrenalin im Körper hat, wird das neue BORUSSEUM lieben. BVB-Fans werden unzählige „Aha!“- und „Wow!“- und „Weißt Du noch?!“-Momente erleben. Sie sollten viel Zeit mitbringen, denn die werden sie brauchen. Das Ausstellungskonzept wird sie im selben Moment abholen und packen, in dem sie vor dem Empfang nach rechts ab- und auf den historischen Borsigplatz einbiegen. Willkommen im Jahr 1909. Willkommen in der turbulenten Gründungsgeschichte des BVB.
Nun ist das neue BORUSSEUM im Gegensatz zum alten nicht chronologisch aufgebaut. Es gibt vielmehr acht – und ja, diese Frage darf man stellen: wieso eigentlich keine nullneun? – Themeninseln. Es gibt die Gründungsgeschichte, die Spielstätten, die nationalen und die internationalen Wettbewerbe, die Fans, die Chronik, die Dramen und die Schatzkammer. Der Raum mit den Pokalen und Trophäen, die Borussia Dortmund in 113 Jahren Klubgeschichte gewonnen hat, liegt am Ende des Rundgangs. Nicht unbedingt versteckt. Aber eben auch nicht mittendrin. Nicht im gleißenden Scheinwerferlicht. Der Schatzkammer kommt nicht weniger, aber eben auch nicht mehr Bedeutung zu als den anderen Themeninseln. Und das sagt ganz viel aus über das neue BORUSSEUM.
Emotionen und Bodenständigkeit
Es zeugt vor allem davon, dass Julian Oppmann und Clemens Gatzmaga Borussia Dortmund im Kern verstanden und bis in die hintersten Winkel durchdrungen haben, was den BVB ausmacht. Ambition einerseits – aber es dreht sich bei diesem Verein eben nicht alles um Titel und Triumphe. Es geht vor allem um: Emotionen. Und um Bodenständigkeit. Oppmann und Gatzmaga, die beiden Gründer der Agentur „Machen“, sind die kreativen Köpfe hinter der Ausstellung. Sie haben ein Konzept entwickelt, das modern ist und interaktiv. Das spektakuläre Exponate und audiovisuelle Elemente zu einem Gesamterlebnis zusammenführt. Das die Möglichkeiten der Digitalisierung gewinnbringend nutzt. Das räumlich viel größer, offener und weiträumiger wirkt als das BORUSSEUM 1.0, obwohl kein einziger Quadratmeter Platz hinzugekommen ist. Vor allem aber haben sie ein Konzept entwickelt, das an keiner einzigen Stelle „auf dicke Hose“ macht. Es gibt kein Bling Bling, kein Plüsch und keinen Schickimicki-Kram. „Es soll sich ja nach Borussia Dortmund anfühlen“, sagen die beiden. Es fühlt sich nach Borussia Dortmund an.
Was auffällt, ist die Detailverliebtheit. Wobei gerade die so subtil eingesetzt wird, dass sie in Wahrheit nicht gleich auffällt. Auch sie will entdeckt werden. Das farbliche Leitsystem, der „gelbe Faden“, schleicht sich ebenso „über Eck“ in die Wahrnehmung ein, wie die Textzitate aus Vereinsliedern und Fangesängen, die mal unter der Decke und mal an den Wänden stehen. Oder die Jahreszahlen an den Ausstellungswänden, deren Schrifttyp dem der Rückennummern auf den jeweiligen Trikots entspricht. Jede Themeninsel, jede Vitrine und in jeder Vitrine jedes einzelne Ausstellungsstück ist exakt ausgeleuchtet. Nichts, aber auch gar nichts, haben die Macher von Machen, die beiden Museumsleiterinnen Sarah Hartwich und Melanie Wanczura und das Projektteam dem Zufall überlassen.
Sehen, hören, öffnen, scrollen
Das Ergebnis ist ein Erlebnistrip durch 113 Jahre Klubgeschichte. „Es gibt unglaublich viel zu entdecken“, versprechen Sarah Hartwich und Melanie Wanczura. An rund 30 digitalen Stationen viel zu sehen und zu hören. Auf Touchscreens viel zu öffnen und zu scrollen. Überall schauen gelbe Bänder aus den Wänden, mit denen man Schubladen herausziehen und Verstecktes sichtbar machen kann. Im Zentrum des neuen BORUSSEUM erwartet die Besucher auf einer überdimensionalen Multimediawand aus vielen einzelnen Monitoren ein audiovisuelles Spektakel. „Als ich die Filme und Videos gesehen habe, hatte ich Tränen in den Augen.“ Sagt Reinhold Lunow.
Natürlich hat das Museum auch ein „richtiges“ Kino. Natürlich können sich die Fans auch wieder filmen lassen, während sie hinter einer schalldichten Glaswand auf einer stilisierten Südtribüne am Wellenbrecher stehen und die Mannschaft unten auf dem Rasen anfeuern. Und natürlich räumt das BORUSSEUM der Fankultur in der Themeninsel „Fans“ den Platz ein, der ihr gebührt. Da findet sich neben Kutten, Kitsch, Kellerbar-Ambiente und Kuriositäten wie der BVB-Badeente, die es an einem Ballon bis in die Stratosphäre geschafft hat, auch so manches Kultobjekt: Zusammengefaltet in einer unscheinbaren Plastiktüte liegt das „Ein Leben lang, keine Schale in der Hand“-Banner, das Fans am letzten Bundesliga-Spieltag 2006/07 von einem Sportflugzeug über die Veltins-Arena ziehen ließen. Weil der FC Schalke 04 nach der 0:2-Niederlage eine Woche zuvor in Dortmund dann doch wieder nicht Deutscher Meister geworden war.
Ein anderes Banner zählen Sarah Hartwich und Melanie Wanczura – neben der historischen Bierflasche der Borussia-Brauerei natürlich – zu ihren Lieblingsstücken: Jenes von vielen alten Schwarz-Weiß-Fotos bekannte und fast schon berühmte Stück Stoff, mit dem Mitglieder des ostwestfälischen Amateurklubs RW Mastholte beim Europapokalfinale 1966 gegen den FC Liverpool den BVB im Hampden Park zu Glasgow (be-)grüßten. Der Fan, der es seinerzeit angefertigt hat, stand vor einigen Jahren plötzlich mit dem Banner beim Traditionsabend im SIGNAL IDUNA PARK und stellte es anschließend dem BORUSSEUM zur Verfügung. Dort hat es nun einen Ehrenplatz.
Der Original-Wimpel von 1963
Ebenso wie der Wimpel vom legendären 5:0-Triumph des BVB gegen Benfica Lissabon im Europapokal-Duell 1963. Der war zwar auch im alten Museum schon ausgestellt – aber gewissermaßen „auf einem Haufen“ mit anderen, eher belanglosen Exponaten. „Erst als wir während der Arbeit an der neuen Ausstellung alte Fotos gesichtet haben, ist uns aufgefallen, dass es sich dabei nicht um eine Fan-Devotionalie handelt, sondern um den Original-Spielwimpel, den Borussias Kapitän Wolfgang Paul vor dem Anpfiff überreicht bekam“, erzählen Julian Oppmann und Clemens Gatzmaga.
Und was ist nun Reinhold Lunows museales Highlight? „Ich habe zwei Favoriten“, sagt Borussias Vizepräsident. „Zum einen bin ich bekanntermaßen ein riesiger Manni-Burgsmüller-Fan. Dass ich bei seiner Beisetzung die Trauerrede halten durfte, war eine große Ehre. Ich habe seinen Töchtern versprochen, dass ihr Vater seinen verdienten Platz im BORUSSEUM bekommen wird. Dass wir jetzt ein Trikot von Manni in der Ausstellung haben, ist einfach großartig.“
Und dann hat Lunow auch noch eine ganz besondere Beziehung zur Themeninsel „Dramen“, in der es mitnichten um sportliche Misserfolge, sondern vielmehr um die wirtschaftlichen Überlebenskämpfe geht. Vor allem um die existenzbedrohende Situation der Jahre 2004/05. „Dass sich ein Verein in seinem Museum selbstkritisch mit solchen Phasen beschäftigt, ist wahrscheinlich eher untypisch“, sagt Lunow. Aber solche Brüche gehören zu Borussia Dortmund wie Meisterschaften und Pokalsiege. „Ich verstehe diesen Raum als eine Art Mahnmal“, sagt der BVB-Vize. „Ich hoffe, dass er den Fokus der Fans und Besucher noch einmal darauf lenkt, wie knapp der BVB damals vor der Insolvenz stand und dass nichts von dem, was wir seither erleben durften, eine Selbstverständlichkeit ist.“
Text: Frank Fligge
Fotos: Alexandre Simoes